Die Verständnisfrage: Habt ein bisschen Respekt!

Warum fragen Cis-Menschen ständig trans*­Per­so­nen nach ihren Genitalien?, fragt eine Leser*in. Die Vorsitzende des Vereins Trans-Ident antwortet.

Eine Frau legt einem Baby ein rosa Armband um, damit wird es als Mädchen gekennzeichnet.

Nicht alle Menschen fühlen sich später dem Geschlecht zugehörig, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde Foto: Thomas Frey/imago

Lillith, 23, FSJ­le­r*in im Krankenhaus in Leipzig, fragt: Liebe Cis-Menschen, warum fragt ihr trans*­Per­so­nen nach ihren Genitalien?

Sandra Höstermann-Schüttler, 49, Vorsitzende von Trans-Ident e. V., antwortet:

Bei Cis-Menschen wie mir stimmt das Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, mit der Geschlechts­identität, also dem Geschlecht, dem sie sich zugehörig fühlen, überein. Bei trans*­Per­so­nen ist dies nicht oder nur teilweise der Fall. Viele versuchen deshalb ihr äußeres Erscheinungsbild und oft auch ihren Körper dem empfundenen Geschlecht anzugleichen. Trans­idente Menschen werden oft von Cis-Menschen gefragt, welche Genitalien sie nun haben, selbst von Fremden. Ich war mit meiner Frau reisen, als sie noch am Anfang ihrer Transition war. Sie hatte also noch einen Ausweis mit einem männlichen Namen und entsprechendem Foto. Als meine Frau dem Grenzschutzbeamten erklärt hat, dass sie sich in der Transition befindet und noch keine neuen Ausweispapiere hat, fragte er tatsächlich: „Sind Sie schon operiert?“

Für die allermeisten Menschen hängt das Geschlecht mit den körperlichen Geschlechtsmerkmalen zusammen. Dass Geschlechtsidentität und die soziale Rolle unabhängig vom biologischen Geschlecht ist, verstehen sie nicht. Cis-Menschen sind daher oft neugierig, welche Geschlechtsmerkmale transidente Menschen haben. Den Fragenden ist dabei meist nicht bewusst, dass sie intime Grenzen überschreiten. Menschen, die diese Frage stellen, sollten sich bewusst werden, dass sie damit ein sehr sensibles Thema ansprechen.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Viele transidente Menschen leiden unter Geschlechtsdysphorie, also darunter, dass ihr biologisches Geschlecht nicht ihre Geschlechtsidentität widerspiegelt. Die Transition, die soziale und oft auch körperliche Geschlechtsangleichung, ist ein schwieriger Prozess. Er beinhaltet oftmals viel Leid, schwere Entscheidungen, anstrengende Operationen und Hormontherapien sowie die Anpassung an eine neue soziale Rolle. Manche trans­idente Menschen können sich auch aus medizinischen Gründen nicht operieren lassen, obwohl sie es gerne würden. Wer sie nach ihren Genitalien fragt, reißt damit immer wieder Wunden auf.

Da die Transition so anstrengend ist, brauchen transidente Menschen eigentlich besonders viel Rücksichtnahme. Stattdessen erfahren sie grenzüberschreitendes Verhalten. Trans­idente Menschen wollen auch nur Ruhe und akzeptiert werden für das, was sie sind. Sie schränken niemanden ein, also spricht nichts dagegen, sie einfach in Ruhe zu lassen. In den vergangenen Jahren sind transidente Menschen wenigstens in der Gesellschaft sichtbarer geworden. Aber ein entspannterer Umgang mit dem Thema Geschlecht würde allen guttun, damit Menschen nicht mehr auf ihre Körperlichkeit reduziert werden und gar kein Bedürfnis mehr besteht, andere zu fragen, welche Genitalien sie haben.

Häh? Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum um alles in der Welt sind andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie eine Gruppe Menschen besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage an verstaendnis@taz.de.

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