Verbannung von Russisch in Lettland: Für das Miteinander wenig hilfreich

In Lettland sind lettische Grundkenntnisse Pflicht. Und Russisch wird aus den Schulen verbannt. Das ist bedauerlich, denn jede Sprache ist ein Gewinn.

Freiheitsdenkmal und lettische Fahne.

Die lettische Fahne am Freiheitsdenkmal in Riga. Vor über 100 Jahren proklamierte Lettland die Unabhängigkeit von Russland Foto: Alexander Welscher/dpa

In Estland und Lettland, beide mit zahlenmäßig bedeutenden russischen Minderheiten, ist das Thema Sprache bereits seit der Unabhängigkeit der beiden baltischen Staaten im Jahr 1991 ein Politikum und daher extrem aufgeladen. Vor dem Hintergrund von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 gilt dies umso mehr. Personen mit einem russischen Pass, die in Lettland dauerhaft ansässig sind, müssen jetzt Grundkenntnisse des Lettischen nachweisen.

Andernfalls drohen harte Konsequenzen – bis hin zur Ausweisung. Keine Frage: Wer seit Dekaden in einem Land lebt und die Amtssprache nicht einmal rudimentär beherrscht, kann nicht anders, als bestenfalls als ignorant bezeichnet werden. Doch Sprache als ein Druckmittel einzusetzen, dürfte wohl kaum ein friedliches Neben- und Miteinander in einer Gesellschaft fördern, schon wenn sie ohnehin stark polarisiert ist.

Zudem spielen derartige Entscheidungen Russlands Präsidenten Wladimir Putin – mittlerweile im Krieg mit dem gesamten „kollektiven“ Westen – direkt in die Hände. Die vermeintlich unterdrückten Landsleute im Ausland verteidigen und das notfalls auch mit Waffengewalt – war da mal was? Eben. Angesichts dieser schwierigen Gemengelage zeugt das jüngste Vorhaben der lettischen Regierung, bis 2030/2031 an Schulen das Unterrichtsfach Russisch als zweite Fremdsprache stufenweise abzuschaffen, nicht gerade von Weitblick.

Denn jede Sprache ist ein Zugewinn – ein Tor zur Welt, auch wenn diese grausam ist. Anstatt also Russisch per „Ukas“ aus den Klassenzimmern zu verbannen, sollte das Angebot an weiteren Fremdsprachen maximal ausgeweitet und den Schü­le­r*In­nen mit ihren Eltern die Entscheidung überlassen werden. Wahlfreiheit ist ein hohes Gut, ein Wert an sich und in Zeiten wie diesen alles andere als selbstverständlich – siehe Russland.

Und noch eins: Vor allem Menschen, die in mehreren Sprachen und Kulturen zu Hause sind, können „Brückenbauer*innen“ sein. Und die werden gebraucht – mehr denn je. Moskaus menschenverachtender Krieg gegen die Ukraine – er wird nicht ewig dauern. Es gilt, sich für die Zeit danach zu rüsten.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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